Tag 0
„Oh jaaaaaa ….. yeeeees!“
„Hmmm.“
Der gut aussehende Mann auf mir küsst meinen Nacken. Und kitzelt mir dabei mit seinem etwas zu langem Haar an der Nase. Ich versuche unauffällig eine nervige Haarsträhne aus meinem Gesicht zu pusten. Doch die ist ziemlich hartnäckig.
„Hatschi!“
Er blickt mich fragend an.
„Alles klar bei dir?“
„Jaja, alles gut, weitermachen!“ Ich lächle und das Nackengeknutsche geht weiter. Er küsst mein Ohr, meinen Haaransatz, meine Schulter, meinen Kopf…
… a propos Kopf. Wenn ich die Kopfzeile noch einmal ändere, könnte ich diesen blöden Seitenumbruch auf Seite vier vielleicht vermeiden. Sähe um einiges besser aus, in der Präsentation. Außerdem …
Neben mir stöhnt mein Partner. Aber nicht aus Erregung.
„Schnecke, echt jetzt! Du musst dich schon ein bisschen mehr hierauf einlassen.“
„Ok. Sorry. Verstanden. Jaaaa …. hmmmm … weiter so.“
Er hat ja Recht! Also, Feli, ein bisschen mehr Einsatz! Konzentrier dich auf die Endorphine in deinem Körper. Deine Weiblichkeit! Das unstillbare sexuelle Verlangen nach dem männlichen Geschlecht! Yessssss! Ich kralle mich mit meinen Händen lustvoll in seinen Hintern.
„Aua! Nicht ganz so grob!“
„Tschuldigung. Weitermachen!“
Knappe eineinhalb Jahre ist es her, seit ich in meinem 150 Tage Vorhaben den Mann für’s Leben gesucht und zu mir selbst gefunden habe. Ich muss sagen – seit dem lief es wirklich super. Suuuuuuuper! Mir geht es hervorragend, ging’s nie besser! Ich habe jetzt den tollsten Mann aller Zeiten an meiner Seite. Deswegen fand ich es auch sinnvoll, alles hinzuschmeißen und Hausfrau zu werden. Ich bin im dritten Monat schwanger und mega happy.
Haha.
Kleiner Scherz.
Seit gut zwei Jahren bin ich jetzt schon Single, und ganz ehrlich: Ich habe mich nie besser gefühlt. Ich bin einfach total „in balance“: Kein Genörgel, kein Gezicke, keine emotionalen Krisen – im Moment fehlt mir nix und das kann auch gerne noch weitere ein-zwei Jahre so bleiben. Es gibt sowieso gar keinen Grund, unzufrieden zu sein. Seit ein paar Monaten arbeite ich für einen Fernsehsender (was ziemlich genial ist) – und nebenbei produziere ich mit einer Freundin von Sammy deren Videos für ihre äußerst erfolgreiche Magazinsendung. Ok, es ist ein Do-it-yourself-Magazin. Auf Youtube. Hauptsächlich für Schmink- und Flechttutorials. Aber ab und zu gibt es auch sehr spannende Gäste! Die ich nicht kenne, weil ich mit meinen 29 Jahren total „yesterday“ bin. Aber es sind wirklich alles sehr erfüllende Aufgaben!
„Oh Schnecke, du machst mich echt scharf!”
„Hmmmm.”
„Komm schon, fass mich da an. Ja, genau, da – dreh den Nippel, fester!”
Ich muss sagen, meine Lust am Daten ist zurzeit eher marginal. Ich glaube mein Bedarf an schlechten und/oder chaotischen Dates ist erstmal gedeckt (Gott weiß, davon hatte ich genug!). Ich genieße lieber das Singleleben plus meiner gelegentlichen heißen Affäre. Eine richtig echte Affäre. Ich! Jaha …. DAS ist kein Scherz. Ich blicke den Mann auf mir an und schenke ihm einen betont leidenschaftlichen Kuss.
Gut, wir haben erst drei Mal miteinander geschlafen. Und er nennt mich gerne Schnecke, was ich äußerst irritierend finde. Vor allem im Bezug auf eine Sex-Affäre. Aber jedes Mal war es der absolute Knaller. Sex ohne Gefühle und Verpflichtungen ist großartig! Vor allem, wenn die Affäre so eine richtige Kanone im Bett ist und …
„AU! AUUUU! Scheiße, ich hab mir das Kreuz verrissen. Fuck.“
Plötzlich fasst er sich mit schmerzverzerrten Gesicht an den Rücken.
„Wie? Was? Was ist denn los?“ Ich blicke ihn fragend an. Dabei war ich WIRKLICH gerade dabei, voll in Fahrt zu kommen.
„Keine Ahnung. Hexenschuss oder weiß der Geier…“ Er rollt sich von mir runter.
„Ne oder.“
„Doch.”
„Echt jetzt???“
„Jetzt frag halt nicht so doof.“ Plötzlich schwenkt die Stimmung schlagartig um. Von angeregt zu angenervt.
„Ja gut … dann … war es das für heute?“
Meine Affäre sammelt nur offensichtlich leidend und mit gekrümmten Rücken seine Sachen zusammen.
„Ja. Es tut echt sauweh! Sorry. Aber sag mal … kannst du vielleicht ein Bad einlassen?”
Hmmm. Eigentlich keine schlechte Idee…
„Und mich danach ganz vorsichtig massieren? Und hast du ein Bier da, gegen die Schmerzen? Das wär total super.“
„OK. Dann bis nächstes Mal! Tschau!“
Unfassbar.
Zehn Minuten später habe ich mir selbst ein Bad eingelassen und genieße die Ruhe. Eh viel besser. Ich, ein Schaumbad, ganz viel meditative Ruhe …
Rrrrrrrrrrring.
„Ja? Susan?“
„Wääähäääääää! Ich halte es nicht auuuuuuuus!!! Diese Einsamkeit!“
Ach ja. Das sollte ich vielleicht erwähnen: Susan, die superliebe, wenn auch zwangsromantische Schulfreundin von Gitta (seit dem Junggessellinnenabschied auch eine gute Freundin von mir) ist inzwischen auch wieder Single – und weint sehr viel. „Inzwischen“ heißt, die Trennung ist jetzt gut 11 Monate her. Ich kann ihren Schmerz nachvollziehen und es tut mir echt leid, sie so leiden zu sehen. Als einzig weiterer Single im Freundeskreis konsultiert sie in Krisenzeiten gerne mich, um von meinem Abservier-Schmerz- und Plötzlich-Single-Erfahrungen zu profitieren.
„Susan, beruhige dich, was ist denn passiert??“
„Wie passiert?“, am anderen Ende höre ich ein lautstarkes Schneuzen.
„Na … hat er eine Neue, hat er sich gemeldet und war fies …. hast du ihn auf Facebook gestalked?“
„Was? Nein. Aber … aber … heute … dieser Tag! Ich weiß nicht, wie ich ihn überleben soll. Wie machst du das denn immer? Wie hast du das geschafft all die Jahre?“
„Hä?“
Es folgt eine kurze Stille. Bevor Susan verständnislos nachlegt: „Na … den Valentinstag! Es ist Valentinstag und ich bin zum ersten Mal a-ha-ha-llein!“
Ach ja. Der 14.2. Heute ist Valentinstag. Oder wie ich es gerne nenne: Kommerztag. Nur erfunden, damit die Ladenbesitzer wissen, wie sie ihre Schaufenster zwischen Weihnachten und Fasching schmücken können. Tatsächlich habe ich mir auch schon zu Pärchenzeiten nichts aus dem Valentinstag gemacht. Bekanntermaßen hasse ich kitschige Herzchen und Bärchen und finde, man kann sich auch an den 364 übrigen Tagen im Jahr etwas Gutes tun. Susan sieht das anders.
„Ich vermisse es so, jemanden zu haben, der mir am Valentinstag eine rote Rose schenkt. Und mit dem ich romantisch essen gehen kann. Und … und …“ Ich merke, wie bei Susan wieder die Tränen kommen.
„ICH kann dir eine Rose schenken, wenn du magst.“
„Das ist nicht das Gleiche. Ich hasse es einfach, Single zu sein. Gerade heute, wo ich eben nicht an den Festivitäten teilnehmen kann.“
Festivitäten???
„Single zu sein, ist dann, als wäre man ein degenierter Teil der Gesellschaft.“
Pffff. Vielen Dank auch! Aber Susan hat zumindest ansatzweise recht. Für alle Singles, die den Valentinstag todernst nehmen, kann es wirklich fies sein, am 14.2. ohne Date und Partner dazustehen. Ich hätte gerne einen anderen „Feiertag“ dafür. Wie wäre es mit einem „Singles-Day“ im Sommer? Und statt Herzchen und roten Luftballons gibt es in den Läden Angebote für …. Kondome und Alleinreise-Pauschalurlaube? Ok. Genauso dämlich. Trotzdem – wir Singles werden manchmal schon maßgeblich unterdrückt in dieser auf Pärchen ausgerichteten Gesellschaft. Einzelzimmer in Hotels kosten viel mehr als ein Bett in einem Doppelzimmer, in der Achterbahn kann man nicht einfach mal alleine fahren, sondern muss sich neben fremde Menschen setzen, meinen zweiten Cocktail in der 2-für-1 Happy Hour muss ich auch selbst trinken …. da kommt mir eine Idee.
„Weißt du was, ich habe eine Idee: Wir treffen uns in einer Stunde bei mir, trinken einen Gin Tonic und gehen dann steil. Ohne Männer, total Anti-Valentinstag. Wir schmeißen richtig viel Geld für Cocktails raus und tanzen bis uns die Füße weh tun! Und Gitta packen wir auch gleich mit ein. Wie früher! Frauenpower!“
Susan schnieft nur. „Gitta geht doch romantisch essen mit Bloki. Das hat er ihr versprochen, wo sie doch zuletzt so viel Stress wegen dem Hausbau hatten. Und Olli ist in den Thermen mit Lisa.“
Und Sammy, meine liebste Chaosfreundin, war zum Jahreswechsel zurück in die USA und zu ihrem Freund – inzwischen Verlobten – Pete gezogen. Super. Jetzt war ich auch depri.
„Egal. Dann wir zwei! Frauenpower!“
„Meinst du? So ganz ohne Kerl? Am Valentinstag?“
Die Frau macht es einem echt schwer. Susan befand sich langsam auf dem Trip einer stupid-panische Männersuche. Also echt – wer steigert sich da bitte heutzutage noch so rein?? Wer macht denn so was? Tststs.
„Man kann auch ohne Mann glücklich sein!”
Ich hasse Phrasen. Aber manchmal muss es sein.
„Na gut, Feli. Du hast mich überzeugt. Besser als nix.“
Ich unterdrücke den Drang, einen beleidigten Kommentar dazu abzulassen, dass ich nur „besser als nix“ bin und fange lieber gleich an, einen grandiosen Masterplan zu entwickeln.
„Ok. Wir machen uns einfach unseren eigenen Tag. Den Valentinstag ohne Date, ohne überzogene Erwartungen, ohne kitschige Demo, überzüchtete Industrie-Rosen und Pärchenkram – also einen Valen-keins-day. Das wird super!“
„Hmmmm. Ich bin dann in einer Stunde bei dir und dann … oh ….“
„Was oh?“
„Oh, ich habe grad eine Nachricht auf Tinder bekommen. Der Typ will mich gleich treffen.“
„Du versetzt mich jetzt nicht ernsthaft für ein Tinder-Date.“
„Es ist Valentinstag.“
„Valen-KEINs-Tag!“
„Feli, sorry, aber ich MUSS ein Date am Valentinstag haben. Und … vielleicht ist es ja auch der Mann für’s Leben!“
Grrrrrrr.
Was soll’s, ich finde meine Idee inzwischen selbst so super, dass ich sie einfach alleine durchziehen werde! Entschlossen hole ich statt Gin die edle Just-in-Case-Flasche Champagner aus meinem Kühlschrank, die dort seit einem halben Jahr auf ihren Einsatz bei einem besonders festlichen Anlass wartet. Wenn der Valen-keins-day mal kein guter Anlass ist! Und wenn ich mir ein bisschen Stimmung angetrunken habe, geht’s auf zum Feiern! Inzwischen habe ich dank Susan nämlich auch ich keine Lust mehr, dass dieser 14.2. als der Tag mit dem Hexenschuss-Sex und dem frustriertem Rumhängen alleine daheim auf dem Sofa in meinem Gedächtnis hängen bleibt.
Ich habe noch ein paar Stunden Zeit, etwas ganz Famoses aus diesem 14.2.2017 zu machen!
Und ich habe dabei ein super Gefühl! Prost!
Mit der wahren Liebe ist’s wie mit den Geistererscheinungen: alle Welt spricht darüber, aber wenige haben etwas davon gesehen
Oh Gott, ich bin viel zu spät dran mit der Erkenntnis, dass ich mit meinen Dating-Eskapaden nicht allein im dunklen Kellerloch vor mich hinvegetieren muss. Du bist der Kracher Feli und ich komme jetzt mal hinterm Mond hervor und gebe mir direkt noch ein paar Einträge. Ein Hoch auf uns Singles und auf die Erkenntnis, dass Lachen die stärkste Medizin ist. Servus!
Lachen kann man zwar im Keller auch, aber es macht doch viel mehr Spaß, das draußen in bright daylight gemeinsam zu tun! 😉 Ein Prosit auf alle Singles!