Tag 7, Date: 1, Feli
Ich stehe vor meinem Spiegel, gut gelaunt (äußerst gut gelaunt!), und versuche meinen Pony zu bändigen. Der widersetzt sich mal wieder nicht nur bockig den physikalischen Regeln der Schwerkraft. Mein Pony hat heute beschlossen, sich wie ein Entenpürzel keck gen Himmel zu kringeln. Großartig.
Ich seufze und schüttle das Glätteisen, als würde es dadurch besser funktionieren. Leider hat es nur eine Hitzestufe und die ist eh schon verdammt heiß. Mehr kann man von einem Werbegeschenk auch nicht erwarten.
„Was denkst du Tarantino, kann ich so ausgehen? Kann ich so in ’ner halben Stunde diesen sehr sympathischen, jungen Herrn treffen?“ Ich wende mich mit wippender Haartolle fragend zu meinem Kater, der – wie immer – nur desinteressiert an mir vorbei zu seinem Fressnapf streift.
„Hast Recht. Völlig bescheuert, jetzt aufgeregt zu sein. Hirnrissig! Verblödet! Autsch!“
Ich fluche und sauge an meiner Fingerkuppe, nachdem diese eine unerwartete, kurze Begegnung mit dem heißen Glätteisen hatte.
Ok. Kurzzusammenfassung. Ich habe also diesen unerwartet verrückten Abend – ausgerechnet am Valentinstag – und hocke mit irgendnem Kerl die halbe Nacht in der Dönerbude und wir quatschen und flirten und trinken und lachen und quatschen … und plötzlich ist es fünf Uhr Morgens und die Sonne geht auf. Es ist jetzt natürlich nicht so, als hätte ich mich schockverliebt. Gott bewahre! Bekanntermaßen glaube ich nicht an Liebe auf den ersten Blick. (Beweisstücke A-Z finden sich in meinem Tinder-Chatverlauf.)
Aber seitdem ich nach den 150 Tagen meine ernsthafte (und zugegebenermaßen eeetwas zwanghafte) Mann-fürs-Leben-Such-Aktion erstmal eingestellt habe, habe ich keinen Kerl mehr getroffen, der so … ja, was eigentlich war? Lustig? Aufregend? Sympathisch? Ach, keine Ahnung. Irgendwie ist er halt irgendwie einfach toll. Aber deswegen würde ich mich doch nicht gleich wieder in die Dating-Höhle der Löwen begeben! Pah!
Nachdenklich starre ich in mein Spiegelbild. Ob der wohl selbst auch chaotische Liebes-Erfahrungen gemacht hat? Wahrscheinlich. Sonst wäre er nicht meiner Meinung gewesen, dass man eine halbjährige Testphase für sich neuzufindende Paare festlegen müsste, bevor irgendwelche konkret bindenden Schritte in die Wege geleitet werden.
Andererseits heißt es ja immer wieder, der moderne und emanzipierte Mann im 21. Jahrhundert will sich nicht binden. Pffffffff. Das ist mal wieder so ein typisches Geschlechter-Klischee. Vielleicht will ich mich als Frau ja auch nicht gleich binden?? Bei einem neuen Job hat man ja schließlich auch erst mal Probezeit … Warum soll ich nicht dieselben Rechte wie der „moderne Mann von heute“ haben und zwanglos nach drei Monaten sagen dürfen: „Sorry, wir haben das probiert, ich habe dich einer eingehenden Prüfung unterzogen – aber mit manchen Macken und Charakterschwächen kann ich leider auf lange Beziehungs-Sicht nicht d’ accord gehen.“ Und das ohne gleich die Bitch, die arrogante Zicke oder gar die Schlampe zu sein? Stichwort Ghosting, sag ich da nur!
Diverse Dating-Katastrophen aus meinem letzten 150-Tage Projekt zeigen, dass ich (oder wir) sehr gut daran waren, eine vorzeitige Bindung zu unterbinden. Aber auch wenn sich die ersten 2- 3 Dates noch positiv entwickeln, vor Überraschungen ist man in den ersten paar Monaten einer neuen, zwischenmenschlichen Beziehung kaum gefeit. Und das gilt natürlich auch für einen selbst. Woher weiß man, dass man harmoniert? Eine Situation, die sich erst vor kurzem in meinem Freundeskreis ereignet hat, beweist alle diese Theorien:
Sie lernt ihn kennen. Beide verstehen sich gut. Sie haben mehrere Dates. Nach ca. zwei Monaten beschließen sie, dass sie eigentlich ohnehin schon zusammen sind. Sie nimmt ihn auf eine Familienfeier mit, alles ist gut. Nach fast drei Monaten ist sie zum ersten Mal in seiner Wohnung, das hat sich davor irgendwie nicht „ergeben“. Sie wusste, dass er Haustiere hat – aber als sie zur Tür hereingeht, verschlägt es ihr fast die Sprache. Die Wohnung ist ein Meerschweinchen-Palast! Überall miteinander verbundene Käfige, Meerschweinchenstreu, Futterboxen, Spielzeug … Es riecht penetrant nach Tier und Stroh. Er begrüßt seine Lieblinge sofort mit ihrem Namen. Dann lässt er sie frei in der Wohnung herumlaufen (den Zustand des Teppichs kann man sich vorstellen). Sie ist erstmal abgemeldet, beobachtet eine Weile, wie er liebevoll mit den unzähligen Tierchen umgeht und spielt, als wären es seine Kinder. Sie verzieht sich erstmal auf die Toilette, muss durchschnaufen. Dabei tritt sie – aus Versehen! – ganz leicht auf eines der herumwuselnden Schweinchen. Er reagiert panisch – „NEEEEEEIN!!!! Nicht auf Shakira-Melody!!!“ – und das war dann das plötzliche Ende dieser eigentlich schönen Romanze.
Nach einem heftigen Streit, Herzschmerz, viel Drama und diverse „Das hätte ich nie gedacht“ war sie erst drei Monate später wieder bereit, auf neue Dates zu gehen. Das Meerschweinchen-Trauma saß zu tief. Mit einer längeren, zwanglosen Testphase hätte sie sich das Drama erspart!
Ich fahre energisch mit dem Glätteisen durch meine störrische Haarpracht. Und Gitta meint, ich spinne mal wieder und hätte es in den letzten Monaten in die andere Richtung übertrieben – mit meiner Lieber-Single-Devise. Dabei treffe ich mich ja heute wieder mit einem Mann! Und freue mich drauf, den … äh … wiederzusehen.
Den …. hmmmm.
Verdammt. Das kann doch nicht wahr sein! Ich kann mich beim besten Willen nicht an seinen Namen erinnern ….
ZZZZZZIIIIIIIISCH!
In diesem Moment geht mein drei Jahre altes Werbe-Geschenk-Mini-Glätteisen plötzlich in Flammen auf.
Scheißeeeeeee!
Zehn Minuten später renne ich mit wirrem Haar aus der Wohnung. Mich umgibt ein zarter Hauch von „Eau de angekokelt“. Der Glätteisenbrand ist gelöscht, dafür bin ich jetzt aber mega spät dran für das Date mit dem „Typen von gestern Nacht“. Und ich bin nervös.
Was soll das, Feli! Ich rüge mich im Geiste selbst, als ich die U-bahn-Treppe zu unsrem Treffpunkt, einem In-Sushi-Laden (er will mich wohl beeindrucken, sehr gut!) hocheile.
Im Endeffekt bleibt es so, wie gehabt. Alles ganz easy. Kein Zwang. Keine falschen Erwartungen. Wenn es heute scheiße läuft, dann seh ich den Kerl nie wieder und mache ganz entspannt weiter wie bisher. Locker, lässig.
„Hallo!“
Da steht er schon und lächelt mich breit und voll ehrlicher Vorfreude an. Ich strahle zurück. Und meine Knie werden plötzlich zu Gummi.
„Äh … Hi.“
Oh Mann. Ois easy.
Am 15. Februar geht die Sonne aber noch nicht um 5 Uhr auf.. 😉
Ich mag aufmerksame Leser!!! 😀 Korrekt. Da war das mit 5 Uhr wohl Wunschdenken 😉