Tag 64, Date 3, Leo:
„Hey Schmuser!“
„Ich hab dir schon tausend Mal gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst!“
„Wenn du halt heut schon wieder so zum Auffressen ausschaust!“, die langhaxerte Blonde schenkt mir nur einen kecken Augenaufschlag bevor sie mir einen flirtiven Kuss auf die Lippen haucht.
„Susi, bitte. Das muss aufhören!“
Ich fahre mir nervös durch die Haare. Dass mich das Ganze irgendwann ganz blöd einholen würde, war ja eigentlich klar. Aber Mann ist halt Mann. Ich mustere die aufgedonnerte Blondine, die – so was von überhaupt nicht schüchtern – vor mir steht, mal wieder viel zu geschminkt, mal wieder ein viel zu kurzer Rock. Kein Vergleich zu der eher etwas kleingeratenen Feli, mit den süßen Grübchen und den katzengrünen Augen. Und dem tollen Humor. Und dieser direkten Art …. und …
„Also bis jetzt hast du dich ja auch nicht beschwert. Vor allem das letzte Mal, als ich ganz spontan um drei Uhr Nachts vor deiner Tür stand, nur in Strapsen. Und dann …“
Susi stöckelt grinsend näher an mich ran. Viel zu nah! Und bevor ich mich wehren kann, liegen schon zwei angriffsfreudige Hände auf meinem Hintern – und zehn sehr spitze, falsche Fingernägel bohren sich in meine Pobacken. Dass die Oma, die gerade mit ihren zwei Enkeln aus Richtung Museum kommt, uns dabei mit einem entsetzten Kopfschütteln mustert, stört Susi natürlich nicht im Geringsten.
„Susi! Verdammte Scheiße.“, zische ich zwischen zusammengepressten Zähnen zu.
„Ach Schmuser, jetzt hab dich doch nicht so. Du bist so sexy, wenn du dich aufregst!“ stöhnt sie mir ins Ohr.
„Nix, Schmuser! Das war jetzt unsre letzte Verabredung, ok? Ich hab wen kennengelernt, und das ist mir ernst!“
„Ahaaaaaaa. Daher weht der Wind“
Susi tritt einen Schritt zurück. Sie verzieht keine Miene und so kann ich schwer sagen, ob sie beleidigt, oder einfach nur unbeeindruckt ist. Verdammt. Diese Frau ist mein Untergang.
„Wir werden sehen, wie lange du das aushältst, Schmuser. Wir sehn uns, ok? Und denk an mich, wenn du mit deinem neuen Weibchen in der Kiste liegst.“
Damit lacht sie kurz auf und tänzelnd dann davon.
Uffff.
Keine zwei Minuten später bin ich schon wieder bei meinem Auto und kratze den Strafzettel von der Windschutzscheibe. Na, toll! Der alte Sack hätte aber auch mal was sagen können, anstatt einfach davonzufahren und mich hier – im Halteverbot! – parken zu lassen.
„Oder du hättest mal besser die Augen aufgemacht und das Schild gesehen! Depp!“ meldet sich meine innere Stimme mal wieder.
Immer noch nicht wieder ganz unten von dem, was gerade passiert ist, zerreiße ich das Knöllchen, steige ein und fahre los. Es gibt ja bekanntlich für alles ein erstes Mal im Leben! „Strafzettel zerreißen“ kann ich hiermit abhaken.
„Wie soll ich DAS Feli nur erklären?“ frage ich mich während des kompletten Rückwegs und plappere ein paar Antworten in den Rückspiegel:
„Du sorry, aber Ali hatte wieder mal Stress mit seiner Alten…“ Halt, nein! Ali hat keine Alte. Ich überlege weiter: „Hmmm… mit seiner Neuen vielleicht?“ Nee, auch scheiße. „Sorry, aber ich musste meinen Onkel aus ner Boazn abholen. Der war wieder sowas von besoffen…“ Auch scheiße! Sei mal ein bisschen kreativer, verdammt!
„Oder ….. du könntest es auch… eventuell… unter Umständen… vielleicht… wenn du willst … einfach mit der Wahrheit versuchen?“ meldet sich meine … naja, ihr wisst schon.
Ich verdrehe die Augen. Denn das würde dann in etwa so ablaufen: „Bitte entschuldige die Nummer gerade, liebe Feli, aber du musst wissen… ich habe seit geraumer Zeit eine… hmmm… wie sag ich das jetzt am besten… ja man kann es tatsächlich „STALKERIN“ nennen!“
Sie heißt Susi und ich hatte vor ein paar Jahren mal eine kurze Bettgeschichte mit ihr.
Seitdem meldet sie sich in regelmäßigen Abständen immer wieder und ist dabei so dermaßen penetrant, dass es sogar meiner Mutter die Schuhe auszieht.
Ok. Vielleicht habe ich auch ein paar Mal nachgegeben. Und sie ein ganz klein wenig rangelassen. Vielleicht auch ein wenig mehr. Ich bin auch nur ein Mann, ok?
Aber das muss jetzt aufhören.
Jetzt gibt es ja schließlich Feli. Und irgendwie hab ich das Gefühl, dass mir das mit Susi früher oder später auf die Füße fällt, wenn das mit Feli in die nächste Runde geht (yes, please!).
Ich klappe hektisch die Blende runter und begutachte an der nächsten Ampel meine Aufmachung. Schweißperle auf der Stirn, Haar bissl zerstrubelt von dem ganzen Stress … passt. Das geht als lässig-verwegener Männerlook durch.
Vielleicht sag ich doch einfach nix. Habe das Gefühl, dass die ganze Sache mit Susi bei Feli nicht so gaaaaaanz gut angekommen würde. Auch wenn damit jetzt definitiv Schluss ist. Ich vögle aus Prinzip nämlich nicht so gerne mit verschiedenen Menschen gleichzeitig. Wenn es dann rein hypothetisch irgendwann demnächst dazu kommen sollte.
Ich parke mein Auto an der Straße direkt vor Felis Haustür und achte dabei darauf, nicht nochmal im Halteverbot zu stehen. Endlich wieder an der Haustür, an der ich ca. eine Stunde zuvor schweren Herzens unsere Knutscherei unterbrechen musste, stehe ich plötzlich erneut da wie bestellt und nicht abgeholt:
Boah, nööööö! Wie heißt’n die jetzt mit Nachnamen?
Ich gehe die Namen an den Klingeln durch: Breitenrieder, Pawliczik, Müller, Meier… Sommerloch?! Ich muss lachen. Was ist das denn für ein Name?! Naja… ich klingle da einfach mal. Und selbst wenn Feli nicht so heißt, Herr und/oder Frau Sommerloch können mir bestimmt weiterhelfen.
Ich warte. Keine Antwort. Ich klingle nochmal. Da kommt mir plötzlich ein Gedanke. Kurzerhand hole ich meine Gitarre, die ich zufällig im Auto dabei habe, aus dem Kofferraum.
„Sag mal, weißt du, was du da gerade machst?! Du spielst absolut beschissen Gitarre. Und jetzt willst du auch noch einer Frau eine kleine Kostprobe von deiner Unfähigkeit geben. Halt. Nein. Nicht EINER Frau, sondern DER Frau, von der du was willst! Tolle Idee, Elvis!“
HALT ENDLICH DIE FRESSE! Ich mach das jetzt“, bringe ich meine innere Stimme zum Schweigen. Gerade als ich das Auto wieder abschließe, hallt es an der Tür schon aus dem Lautsprecher:
„Hi. Sorry, dass ich solange gebraucht hab. Komm einfach hoch.“
NEEEEIN! Feli heißt tatsächlich „Sommerloch“! Wie geil.
Der Buzzer geht und ich schaffe es gerade noch rechtzeitig, die paar Meter zur Tür zu eilen und sie zu öffnen. Ich sprinte die Treppen hoch. Als ich an ihrer Wohnungstür ankomme, bleibe ich mit einem Mal abrupt stehen. KLONKPADAUZZZZ! haut es mir die Gitarre zu Boden.
In der offenen Tür steht Frau Sommerloch, mit nassen Haaren und lediglich in ein etwas zu klein geratenes weißes Handtuch gewickelt! WOOOOOWSA!
Plötzlich ist mein Hirn wie leer radiert. Alle Susis, Strafzettel, Langsamfahr-Opis oder sonstigen Stresseinheiten sind wie weggeblasen. Ich stehe einfach nur da und starre diese Schönheit von Frau einfach nur dümmlich grinsend an.
„Na …..“, mehr kriege ich nicht raus.
„Pfffffffff.“ Vor lauter Verblendung habe ich gar nicht mitbekommen, dass Feli alles andere als happy dreinschaut. Im Gegenteil, sie zieht sogar eine ziemliche Schnute.
„Sorry, ich hab leider schon was vor jetzt – aber wir sehen uns, ja? Ciao.“ Damit müht sie sich zumindest noch ein halbschariges Lächeln ab und haut mir dann die Tür vor der Nase zu. Sauber. Das ist ja mal – sehr gut gelaufen.