10. Zu mir oder zu dir? – Part II


Tag 42, Date 2-3 (ob ein Tagwechsel wohl als neues Date zählt?), Leo:

„Hey, weißt du, was lustig ist?“

„Buöööööörrrrghhhh“

„War das jetzt ein ‚Ja‘ oder ‚Nein‘?“

„Dasssss war ein ‚lasssssunsbiddespäterredn‘.“

„Okay, dann sag ich’s dir. In absolut jedem unserer Dates kommen aus irgendeinem Grund Toiletten vor. Schon lustig, oder?“ Ich grinse sie aufmunternd an. Das gerade nicht ganz so zauberhafte Mädel neben mir kommt kurz hoch, schenkt mir einen missbilligenden Blick und beugt sich dann wieder über die Schüssel.

„Buööööööörghhhh.“

Okay, den konnte ich mir nicht verkneifen. So leid mir Feli (endlich weiß ich ihren Namen!) tut, wie sie da über ihrer Kloschüssel kniet und sich die Seele aus dem Leib reihert – es ist auch verdammt lustig.

Ich mein‘, logisch hab mir ein paar Szenarien ausgemalt, in denen dieser Abend bei ihr in der Wohnung endet. Frei nach dem Motto: Zu mir oder zu dir?? In keinem dieser Szenarien allerdings findet das Date in ihrem rot-gefliesten Badezimmer sein Ende. Wo ich ihr die Haare beim Kotzen halte. Aber so verrückt es ist: Irgendwie macht es mir auch nichts aus. Mir fällt zumindest kein Ort ein, an dem ich gerade lieber wäre. OK, abgesehen von der Speiberei natürlich.

„Oh Goddogoddogodd, dassmir so peinlich…“, Feli wischt sich zwischen zwei Brech-Intervallen schniefend über die Nase. Jetzt tut sie mir richtig leid!

„Ach, schon okay. Ist ja nicht so, als ob ich noch nie in deiner Situation gewesen wär. Frag mal meinen Kumpel Ali. Oder weißt du noch, dieses eine Mädel, dem wir beide geholfen haben? Das war definitiv schlimmer dran als du. Wenigstens sind heute meine Schuhe sauber geblieben.“

„Bidde bring mich nich ssum Lachen. Dasss grade echt nich so gut.“

„Okay, dann mach ich mich lieber nützlich. Soll ich dir ein Glas Wasser holen?“

„Buuuuuöööörrrghhh.“

„Ich nehm das mal als ein Ja.“

Ich mache das Licht im Flur an und zum ersten Mal sehe ich ihr Eineinhalbzimmer-Apartment in seiner vollen Pracht. Ein bisschen eng, aber ansonsten ist es eigentlich ganz hübsch hier. Die Kleine hat definitiv einen Sinn für’s Einrichten. Das Bett in der einen Ecke, in der anderen Ecke der der Schreibtisch und eine ziemlich urig aussehende Ledercouch. An der gegenüberliegenden Wand ein großes Regal mit einer Unmenge von Büchern – bis zur Decke hoch. Ansonsten noch überall: Fotos. Urlaubsfotos, Partyfotos mit Freunden, Bilder von ihr mit älteren Herrschaften, die vermutlich zur Verwandtschaft zählen (hoffe ich doch!). Und zum Glück ist ihre Bude nicht so überladen mit Krempel. „Das sind Dekorationsobjekte!“, hat meine Ex immer gesagt. Keinen Peil, warum man sich Zeugs in die Wohnung stellt, das keinen Zweck erfüllt. Und vor allem Flohmarktkrempel! Felis Wohnung ist da schon fast übetrieben ordentlich und strukturiert. I like! Aber warum der Balkon größer ist als der Rest der Wohnung, ist mir nicht so klar.

Nur ihre Küche ist mindestens so unaufgeräumt wie meine. Wenn das kein gutes Zeichen ist. Während ich in den Küchenschränken nach einem Glas suche, streift mir plötzlich irgendwas mit einem lauten Schnurren um die Beine.

„Whoa! Alter, hast du mich gerade erschrocken. Hey, ist das deine Katze?“, rufe ich ins Badezimmer, bevor mir auffällt, dass das irgendwie eine dumme Frage ist. Wäre ganz schön strange, wenn das nicht ihre Katze wäre.

Keine Antwort aus dem Bad.

„Hmmm … weißt du, wo sie ihre Gläser hat?“

Ich mustere den graugestreiften Kater, der mich nur missmutig durch seine Augen mustert, die fast genauso katzengrün sind wie die von Feli. Rede ich gerade mit einer Katze? Ich glaube, langsam hakt’s bei mir, aber gewaltig! Aber irgendwie hat ich schon immer eine total Schwäche für Katzen. Was erstens mega unmännlich ist und zweitens – nicht wirklich mit der Großstadt und schwierigen Krempel-Einrichtungs-liebenden Exfreundinnnen konform geht. Ich kraule den Kater hinter den weichen Ohren, der daraufhin sofort seine Anti-Haltung gegen mich, den fremden Eindringling, nochmal überdenkt.

„Miau!“

„Hey … Feli? Wo hast du denn deine Gläser?“, rufe ich nochmals ins Bad,  doch wieder keine Antwort.

Oh oh. Nervös mache ich mich mit großen Schritten auf Richtung Bad. Jetzt mache ich mir doch ernsthaft Sorgen.

„Feli?“

„Khhhhhhhr.“

„Bist du gerade ernsthaft über der Kloschüssel eingeschlafen? Okay, weißt du was? Wir bringen dich ins Bett. Zähneputzen fällt heute mal ausnahmsweise aus.“

Als wären wir (zumindest zu 50%) ein echt hart betrunkenes Brautpaar, nehme ich sie auf meine Arme und trage sie vom Bad aus über die Türschwelle des Flurs in ihr Bett. Mich schaudert es plötzlich: So viel zu meinem Traum! Fuck. Verdammtes Déjà Vu.

Allerdings schmeiße ich sie eher ins Bett, als sie sanft abzulegen, weil mir dieser Kater die ganze Zeit um die Füße schwirrt. „Verdammt, pass doch auf, fast wär‘ mir dein Frauchen auf den Boden geplumpst!“, ächze ich, doch statt einer Entschuldigung kommt bloß ein Schnurren. Oh Mann.

Vorsichtig decke ich Feli zu, während sie bereits tief und fest schläft, noch immer in ihren Klamotten. Sie sieht ziemlich zerstört aus. Aber auch irgendwie süß.

„Krrrrhoaaaarrrrrrcchhhhhhhh.“

Ok. Abgesehen von diesem fiesen Schnarchen!

Aus Felis Handtasche ertönt derweil ein lautes Vibrieren, schon zum vierten oder fünften Mal, seit ich sie mit dem Taxi in ihre Wohnung gebracht habe.

Eigentlich gehe ich nur ungern ans Handy von anderen Leuten, aber langsam wird es penetrant. Was ist, wenn sich jemand von ihren Freunden Sorgen um sie macht?

„Ja, hallo, Sekretariat von Feli?“

„Äh, hi there, mit einer Männerstimme hab ich jetzt eigentlich nicht geredet. Aber… waaaaaiiiiiiiiit a minute… bist du dieser Boy? Der berühmte Boy? Seriuosly?“

„Das klingt wie ’ne Money-Boy-Zeile. Aber ja, der bin ich wohl. The one and only. Und du bist dann wohl Sammy…? Feli hat mir schon viel von euch erzählt.“

„Richtig! Aber woher weißt du, dass ich Sammy bin?“

„Ach. Nur so’n Bauchgefühl.“ Ich grinse. Auch nach … was meinte Feli? … acht Jahren in Deutschland hatte ihre amerikanische Freundin den breiten Akzent nicht verloren.

„Hey, falls ihr euch um eure Freundin Sorgen macht: Ihr geht’s gut. Ich bin bei ihr.“

Am anderen Ende ertönt ein lautes und ziemlich ansteckendes Lachen.

„Ja klaaaaaaaaar. Wenn du um diese Uhrzeit bei ihr bist, geht’s ihr bestimmt super. Have fun!“

Sehr diskret, Felis Freunde. Ich muss schmunzeln.

„Nö, sorry. So ist das nicht. Sie hat sich gerade ordentlich ausgereihert und jetzt habe ich sie in ihr Bett gebracht. Ihr müsst die ja ganz schön abgefüllt haben.“

„Seriously?“

„Jap.“

„Fuuuuuuuuuuuuuuuuuuck!“

Ich höre, wie diese Sammy sich scheinbar vom Hörer wegdreht und mit jemanden redet. Man hört empörtes und erschrockenes Getuschel, erst leise, dann lauter. Dann kommt Sammy wieder ans Telefon.

„OK. Sorry. Das war wohl unser Fehler. Aber good to know, dass du dich kümmerst. Du bleibst die Nacht schon noch hier, oder?“

„Äh, eigentlich wollte ich gerade gehen.  Ich fänd’s irgendwie komisch, hier zu bleiben.“

Außerdem muss ich in ein paar Stunden am Bahnhof stehen, aber das spielt jetzt erstmal keine Rolle.

„No way, du musst bei ihr bleiben! Stell dir vor, mit ihr passiert irgendwas!“

„Ja ne, was soll denn passieren? Die schläft ihren Rausch aus. Ich habe sie ins Bett gebracht, alles ok.“

Am anderen wird Sammy eindringlicher.

„Und dann erstickt sie vielleicht, wenn sie wieder brechen muss? Es könnte weiß Gott was passieren! Und dann bist du dran! Seriuosly – bleib bei Feli über Nacht! Das ist very important!“

Im Hintergrund höre ich leises Kichern.

„Okay, okay, hab schon verstanden. Ich glaub, mit dir sollte ich mich besser nicht anlegen.“

„Damn right! Schade allerdings um euer Date.“

„Ach, ausgehend von den Dates, die wir bislang hatten, war das hier eigentlich relativ normal. Fast schon bisschen langweilig. Aber keine Angst, ich kümmer mich um Feli. Schönen Abend euch noch!“

„Du weissssss mein Namen..! Du bissss ech‘ so süß“, krächzt Feli unter ihrer Bettdecke hervor, als ich gerade auflege.

„Klar, natürlich weiß ich den. Hast du meinen etwa vergessen?“

Keine Antwort, nur ein Schnarchen. Gut aus der Affäre gezogen, Mädel. Dann gehe ich wohl auch mal schlafen. Diese Couch neben dem Schreibtisch ist zwar ziemlich klein, aber für den Notfall tut sie’s wohl. Mit einem leisen Schnurren steht sogar der Kater von der Couchdecke auf und macht mir Platz, ohne dass ich ihn verjagen muss.

„Weißt du was, Kater? Du bist schwer in Ordnung.“

 

 

 

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