7. Oh, what the hell … Dating Guidelines!

Tag 28, Feli, Date 2

„Hallo? Hörst du mir überhaupt zu?“

„Hmmm?“

Sammy wedelt genervt vor meinem Gesicht herum.

„Seriously, heute ist mit dir nix anzufangen!“

Ich seufze. Eigentlich bin ich ja nur froh, dass sie mir nicht mit der Ginflasche in der Hand eine überzieht. Ist schließlich schon das dritte Mal, dass mir das heute passiert. Komplette mentale Weggetretenheit, meine ich.

Sammy zieht eine Schnute: „Dir ist schon klar, wie lange ich mich schon auf heute Abend freue? Und darauf, dass wir, all of us, uns endlich mal wieder alle sehen und zusammen feiern?“

„Jahaaaaa.“

Es ist Gittas Geburtstag – „the big one“, wie Sammy zu sagen pflegt. Gitta findet das nur so semi-lustig. Irgendwie kann sie sich immer noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass nun eine – Zitat –  „dicke, fette 3“ vorne bei ihrem Alter steht. Ich starre zu ihr rüber und muss grinsen: Meine beste Freundin tanzt ausgelassen mit ihrem Mann (klingt immer noch komisch) Bloki an der Bar. Der nimmt gerade zwei Schnaps von der Bar entgegen. Hmmm. Schnaps. Schnaps hab ich mit Leo bei unserem Date auch getrunken. Hmmm. Dieser Leo. Dieser Kuss ….

„Hallohoooo? Ob du auch einen Shot willst?“ Sammy starrt mich entgeistert an.

Maaaaaann! Was ist bloß los mit mir?! Das macht doch alles keinen Sinn. Aber irgendwie mag ich diesen Typen. Dabei ist er nicht mal gravierend aufregender, erfolgreicher, erotischer oder charmanter, als die ganze Reihe Männer, die ich die letzten Jahre gedatet habe. Keine Ahnung, was das ist, aber ich fühle mich einfach total wohl mit ihm und kann mich einfach entspannen. OK. Abgesehen von Haare-Kokel- und Wasserhahn-Zwischenfällen.

Sammy schmunzelt und ich merke erst jetzt, dass ich schon wieder grenzdebil vor mich hingrinse.

„Und wann triffst du ihn wieder?“

„Heute Abend. So gegen Mitternacht.“

„Wie bitte …??“

„Ja, ich weiß. Aber er fährt morgen für ’ne Woche weg und deswegen geht nur heute Abend.“

„Und dann bist du hier und nicht bei ihm? Wenn er nur heute Zeit hat??“

„Hä? Gerade hast du mich noch geschimpft, weil ich an Gittas Dreißigsten geistig so abwesend bin.“

„Papperlapapp, Fee, darling …“  Sammy macht abwinkende Handbewegung und haut dabei den vorbeigehenden Kellner fast die Gläser vom Tablett. „Wir feiern doch am Samstag nochmal groß. Und du hättest heute vielleicht endlich mal wieder Sex haben können!“

Ich ignoriere diese gemeine Bemerkung gekonnt (ich hatte sehr wohl vor kurzem Sex! In der Tat habe ich sogar einen ganzen Haufen Sex … über die letzten 2 Jahre verteilt… das Ereignis von vor einem Monat spare ich lieber aus) und zucke nur mit den Schultern.

„Denke ich nicht. Er hatte Kinokarten reserviert, als Überraschung, aber das machen wir halt mal wann anderes.“

Nun bricht erst Recht ein Sturm der Entrüstung los.

„Dann hättest du ihn halt mitgebracht!!“

Nun ist auch Gitta auf unsre Diskussion aufmerksam geworden und will wissen, was los ist. Ich fasse das „Dilemma“ kurz zusammen und bin mir todsicher, meine beste Freundin auf meiner Seite zu haben. Schließlich stoßen wir heute im engsten Freundeskreis auf den ersten Jahrestag ihres 29. Geburtstages an, da sind frische Liebeleien ja wohl sowas von fehl am Platz.

„Feli, ganz ehrlich, die Sache ist wohl glasklar …“

Ich blicke triumphierend zu Sammy. Wer hat jetzt hier Ahnung von Mann-Frau-Beziehungen!

„… das war ja mal ein fetter Fehler, ihn nicht hierher mitzunehmen!“

Sammy grinst. Gitta schüttelt nur fassungslos den Kopf. Und ich check gar nichts mehr.

„Bitte? Gitti, das ist dein Tag! Wir kennen uns seit dem ersten Semester. Und ihn kenne ich was, drei Wochen?“

„Er hatte für dich Kinokarten? Und sich extra den Abend für dich freigehalten? Wie süß ist das denn, bitte! Und wenn du ihm jetzt schon absagst, beziehungsweise so voll booty-call-mäßig auf die Nacht verschiebst – was macht das denn für einen Eindruck?!“

„Booty-Call …. so ein Quatsch. Das ist eben ein late-night-date.“

„At midnight? Das riecht verdammt nach Booty Call! Gerade du müsstest dich doch mit Dating Guidelines auskennen!“ Sammy stimmt Gitta entschlossen zu.

„Wie auch immer. Wir sind ja nicht zusammen, das ist alles Part von dem 150 Tage Deal. Also locker und easy. Aber mit ernsthaften und aufrichtigen Absichten.“

Ich winke lächelnd Olli zu, der gerade cool mit Bloki für ein Selfie posed und erkläre das Thema damit stillschweigend für beendet. Gritta aber verschränkt beleidigt die Arme.

„Außerdem wollte ich ihn kennenlernen, deinen neuen Traumprinz. Das hätte mein Geburtstagsgeschenk sein können!“

Aaaaargh.

„Das ist doch genau, was ich nicht will! Das es zu schnell zu seriös wird. Bei den Freunden vorstellen, wenn man sich einmal geküsst hat. Totaler Quatsch!“

Außerdem ist er ist toll – und ich habe Angst, dass meine Freunde das anders sehen und mir damit zu früh die Illusion nehmen. Aber das sage ich natürlich nicht.

„Du hättest ihn mitnehmen sollen!“

Gitta und Sammy blicken mich beide an. Und langsam werde ich doch unsicher. Schließlich bin ich seit knapp zwei Jahren nicht mehr erfolgreich über mehr als ein paar Dates hinaus gekommen. Mache ich es etwa doch falsch? Ich leere unruhig meinen Drink.

„Ach Feli, am besten schreibst du ihm direkt, dass du doch früher kannst.“

„Nein! Dann denkt er erst Recht, dass er der Notnagel auf der Ersatzbank ist! Das ist total inkonsequent.“

„Aber wenn er doch morgen schon fährt …!“

„No! Fee, hör mir gut zu …”, Sammy wendet sich nun eindringlich mir zu. Schön, dass ich auch noch was mitzureden habe. „Jetzt ist es auch schon egal. Dann mach dich lieber rar, trink ein bisschen was und komme ganz entspannt und cool zu dem Date. So als hättest du richtig viel Spaß gehabt.“

„Bitte?“ Gitta schnaubt beleidigt.

„Ich weiß nicht … ich will mich nicht verstellen.“

Doch Sammy nimmt nur ihren Cocktail entgegen und drückt ihn direkt mir in die Hand.

„Hier, trink das. Du machst dir jetzt schon viel zu viele Gedanken über diesen Mann.“

„ICH mache mir Gedanken??“

Doch schon habe ich den Strohhalm im Mund.

Es dauert keine fünf Minuten, da hat Gitta auch Susan hergewunken, um an unserer Diskussion teilzunehmen. Tragischerweise ist Susan aber eher meiner Meinung, also Team „alles locker“ und „Bros before Hoes“ … oder so. Zumindest weiß ich jetzt gar nicht mehr, was ich tun soll.

„Feli, du machst alles richtig. Bloß nicht zu viel zu früh geben! Das sind die ganz klaren Dating Guidelines …“

„Aber sie muss klare Zeichen setzen…“

„Ich bleibe dabei, sie hätte die Chance nutzen und ihn mitnehmen sollen.“

„Hauptsache, du bleibst dir selbst treu.“

„Trink noch was, du schaust irgendwie total nervös aus.“

„Feli, wir wollen nur dein Bestes!“

Je mehr sie reden, desto weniger weiß ich, was nun laut Dating Guidelines wirklich das Richtige ist. Nur Eines ist klar: Offensichtlich scheine ich alles falsch zu machen. Ich leere nervös den Cocktail. Und habe sofort ein Schnapsglas in der Hand.

Ich soll mich entspannen. Mich locker machen. Oder doch seriös und klar in meinen Ansagen bleiben? Jetzt gehen. Oder später? Oder gleich absagen?

Oder … oder ihm am besten gleich heut noch ’nen Antrag machen … hicks? Gitta findet eh, ich soll den Kerl heiraten. Jetzt oder nie! Mal sehn. Wahrscheinlich will sie nur einfach nicht die einzige Verheirat .. äh Verheiratetetete in unserer Gruppe sein. Hicks.

Boaaaaaaaaaaah.

Mein Kopf schwirrt.

Das is’ aber auch verdammt kommmmmplisiert mit diesem Dating Geidleins.

Was sagtn die Uhr? Halb Swölf. In ner halben Stunde treff ma uns. Besser nochmal bissl entspannen ….

„Äh … Herr Ober?“

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