Dienstag, 10.03., TAG 0
„Wir heiraten!“
Die Karte starrt mich hinterlistig von meinem heißgeliebten Vintage-Schreibtisch an. Ich seufze. „Wir heiraten!“. Exclamation Mark! Als wäre die Aussage nicht Ausruf genug. Nebenan quietscht rhythmisch das Bett meiner Nachbarn. „Schnauze, zefix!!“. Ich muss nachdenken….
Wenn einem die beste Freundin erzählt, dass sie heiraten wird, ist das die gängige Reaktion: „Oh mein Gott, wow, oh mein Gott…“ Tränen schießen in die Augen „Wow, oh mein Gott – ich kann’s kaum glauben…“ Der Rest geht ihn stoßartigen Schluchzern der Freude unter. Beide Freundinnen liegen sich halb weinend, halb lachend in den Armen.
… oder auch:
KREISCH!! „Oh…mein…Gott!!!!! Woooooooooooooow!“ Heftiges, fröhliches Quietschen, gefolgt von einer stürmischen Umarmung, bei der sich alle anderen im Restaurant peinlich berührt umschauen. Beide Freundinnen liegen sich halb weinend, halb lachend in den Armen.
Die Reihenfolge der einzelnen Schritte ist variierbar, der Ausgang bleibt meist der Gleiche. Nur nicht bei mir. Als mir meine beste Freundin Gitta selig strahlend beim After-Work in unserem Lieblingsitaliener gegenüber sitzt, und mir gerade die Romantischte aller Nachrichten offenbart hat, kreische ich nicht. Mir schießen auch keine Tränen in den Augen. Ich reagiere ungefähr so: „Wow….“ Stille. „Äh….und warum?“
Lasst euch sagen „Und warum?“ ist NICHT die angebrachte Frage auf den Satz „Wir werden heiraten“.
Das geht mir in dem Moment auch auf und ich nehme schnell einen langen Schluck von meinem Feierabend-Radler um die Stille zu überbrücken. Ich spüre förmlich, wie sich die Blicke aller anderen Gäste im Restaurant vorwurfsvoll auf mich richten: Wie kann sie nur? Wie pathetisch! Wie unsensibel!
Gitta aber sagt nichts dergleichen. Es ist viel schlimmer. Sie streicht sich ihre langen blonden Haare hinter die Ohren, schluckt und blickt mich dann verständnisvoll (!) an: „Feli, ich weiß, der Zeitpunkt ist grad ziemlich scheiße…“. Ich winke ab. „Schmarrn. Du heiratest. Wow. Ich freu mich. Oh mein Gott!“. Ein weiterer Schluck aus meinem Glas. Gitta sieht mich mitleidig an. Ich habe noch nie so lange für einen Zug Bier gebraucht…ich schlucke. Im wahrsten Sinne des Wortes. „Mir geht’s gut wirklich. Mit geht’s super. S-U-P-E-R!“.
Gitta hat Recht, der Zeitpunkt ist denkbar scheiße. Ich bin frisch getrennt. Ok, das klingt irgendwie falsch: „Frisch getrennt“. Als könnte man „abgelagert getrennt“ sein. Mir wurde grade erst das Herz gebrochen? Nein, zu hart. Ich bin Optimist. Wobei…
Während alle meine engen Freundinnen und Freunde ihre langen Single-Party-Phasen schon hinter sich haben und nun alle ihren Partner (den Einen) gefunden haben – bin ich jetzt plötzlich zum ersten Mal Single. Naja, so ganz stimmt das nicht. Aber die Zeit zwischen meiner ersten großen Schul-Liebe und meiner letzten, soeben zu Ende gegangenen Beziehung (die optimistische Herzrausreißnummer) war gerade mal lang genug, um den Umzug zu organisieren. Und um im Schnelldurchlauf das aufzuholen, was ich in meiner harmonischen Langzeit-Beziehung die ganze Uni-Zeit hindurch scheinbar verpasst hatte. Das war also abgehakt. Off the list. Ich hatte nicht vor, nochmal Single zu sein. Mit Ende Zwanzig. Scheiße. Gitta seufzt. „Maaan…du bist doch noch nicht mal 30! Du hast noch alle Zeit der Welt, dich nochmal zu verlieben – und bis August kann noch viel passieren…“
Es gibt nur wenige Dinge, die man frischgetrennt (also doch) noch ätzender findet als seine eigene, erbärmliche Situation. Krieg, Krankheit, Tod, die 5. Staffel „Der Bachelor“ ….und auf der Hochzeit der besten Freundin als einziger Single am Tisch mit seinen engsten Freunden in verliebter Zweier-Kombination sitzen. Und alle ehemaligen Schulfreunde wiedertreffen. Auch in Zweier-Kombi. Paare, die alle gerade zusammenziehen, gerade zusammen gezogen sind, Kinder bekommen, bekommen wollen und heiraten. Not essentially in this order.
Alles geht irgendwie plötzlich verdammt schnell. Aus „Wir heiraten“ ist „Wir heiraten!“-Exclamation-Mark geworden. Schwarz auf Grün. Und viel schlimmer ist die Innenseite der Karte: „Ich/Wir komme (n)“ Ja, Nein. Check the box. „Mit Begleitung?“. Check the Box. „Mit Kindern“….Mit Kindern??? Was habe ich verpasst?
Ich seufze und setze mein erstes Häkchen. Natürlich komme ich! Das Einzige was da zu überlegen gibt ist, ob ich mein Festtagsdirndl aufbügle oder nochmal für ein hippes Cocktailkleid shoppen gehe.
„Mit Begleitung…..“
Grübelnd verharrt mein Stift über dem Papier. Habe ich erwähnt, dass auch mein Ex-Ex zu der Feier kommt? Mit seiner neuen Freundin? Die kaufen gerade eine Wohnung.
Gitta hat Recht. Die Hochzeit ist erst in knapp einem halben Jahr. 150 Tage…! Bis dahin kann sich viel ändern. Ich sehe ziemlich gut aus (meine Wadeln sind der Hammer, Yogalates sei Dank!), bin klug, witzig und recht erfolgreich. Bis jetzt hab ich noch alles in meinem Leben geregelt bekommen. Warum sollte ich also länger als einen Tag Single bleiben? Pah, lächerlich. Man muss das nur systematisch angehen. Bis in 150 Tagen werde ich ja wohl wieder einen Freund haben. Und somit ein Date für die Hochzeit. Check!
Ist jetzt schon der Wahnsinn. Und ich dachte, ich bin allein auf dem Globus als „Top in Schuss-erfolgreich-plötzlich Single“-Frau. Ich bin gerettet…
😉