Bestandsaufnahme

Sonntag, 15.03., Tag 5

Ich weiß gar nicht wie man das macht – Singleleben.

Muss ich jetzt jeden Freitag und Samstag ausgehen, um Männer kennen zu lernen??

Meine beste Freundin Gitta (eigentlich Brigitta, grausame Eltern!) heiratet den Mann, den sie vor knapp drei Jahren gefunden hat. In einem Club! Ob man es glaubt oder nicht. Davor war sie fast vier Jahre Dauersingle – und ich (wie immer) glücklicher Beziehungsmensch. Während ich Sonntags selig kuschelnd auf der Couch saß, schmiss sie gerade den Mann von letzter Nacht aus dem Bett, um dann ihren Hangover zu kurieren. Gitta ist also die Frau mit Erfahrungswert, und Gitta sagt: „Geh erstmal aus, lern ein paar Männer kennen. Ganz entspannt. Zum wieder warm werden!“

Was ist das Durchschnittsmaß, die sogenannte Abschleppquote, die man von mir als Neu-Single erwartet? Oder gilt das nur für Kerle? Finde ich so überhaupt jemand Adäquaten? Und wie zefix schleppe ich die Männer dann ab?? „Hey, ich bin Feli – lädst du mich auf nen Drink ein?“ Das ist doch zu profan!

Ich seufze. Dabei bin ich wirklich alles andere als hilflos. In mache einen guten Job in meinem Job. Ich hab mein Studium knallhart durchgezogen und mich genauso knallhart von der Praktikantin zur Volontärin zur Redakteurin bei einem großen Privatsender hochgearbeitet. Jetzt hab ich meine eigene Praktikantin! Ha! Ich klopfe mir im Geiste selbst auf die Schulter. Wenn man ehrgeizig, nicht auf den Mund gefallen und gut organisiert ist, schafft man das auch!

Ich mustere mich im Spiegel. Den obligatorischen Trennungs-Haarschnitt hatte ich schon. Ein fransiger Pony umrahmt jetzt modisch meine Stirn (ja, Pony ist voll 2014, aber da hatte ich keinen, also ist das ok so!) und meine kastanienbraune Wuschelmähne hat erstaunlicherweise nicht unter dem Post-Trennungs-Stress gelitten. Ein Blick auf meinen schlanken, gut in Schuss gehaltenen Körper, entmutigt mich auch nicht. Gut, ich bin nicht gerade groß und werde oft für wesentlich jünger gehalten. „Das liegt an den Sommersprossen und deinem Herzmund – das macht dich einfach zuckersüß!“, hat mein Exfreund immer gesagt. Pah, Herzmund. Volldepp. Ich bin knallhart, ja!

Es klingelt und Gitta steht in der Tür, ausgehfertig und eine Flasche Wein in der Hand. „Wow, nicht schlecht! Du willst es heute also wirklich wissen…“. Ich grinse. „Kennst mich doch. Jetzt schau ma mal, was da noch geht!“. Kaum haben wir uns aber in den engen Münchner Club gequetscht, verflüchtigt sich meine Selbstsicherheit. Ich war hier schon tausendmal, aber nie hatte ich das Gefühl, dass mich alle kritisch mustern und scannen. Als würde ich den Single-Odeur direkt ausstrahlen. Aber warum spricht mich dann keiner an? Die Musik bumpert in meinen Ohren, die Lichter blenden mich plötzlich und alle Männer in dem Raum scheinen durch mich durch zu starren. Sehe ich nicht gut aus? Müffle ich etwa?? HILFE!!

Gitta nimmt die zwei Bier an der Bar entgegen. Sie mustert mich und hebt skeptisch eine Augenbraue: „Was ist denn los?“. Ich ziehe eine Schnute und erkläre ihr mein Problem. Gitta lacht: „Wir sind seit zehn Minuten hier. Entspann dich! Wir haben heut einfach nur ein bisschen Spaß!“. Sie hat gut reden! Sie muss ja keinen Treffer landen.

Ein Bier später bin ich ruhiger. Ich muss das ganze systematisch angehen. So mache ich das im Büro ja auch immer, wenn der Aufgabenberg über mir zusammenzustürzen droht und meine Chefin aufgedreht vor mir herumspringt: Ich sondiere die Lage und mache mir eine to-Do-Liste, die ich dann nach und nach abarbeite. Ich tanze also eine Runde und…sondiere die Lage: In dem Club sind heute hauptsächlich Lackschuhträger. Und ein paar Pseudo-Hipster.

OK, Feli. So wird das nix. Was sagt dir deine ach-so-freigeistige Mutter immer: Kein Schubladendenken. Und: Triff dich nie mit einem Mann bei Vollmond – aber das ist eine andere Geschichte. Also entspann ich mich und versuche die Typen nicht gleich vorzuverurteilen. Tatsächlich kommt gerade einer der Pseudo-Hipster auf mich zu. Nein! Ein nett grinsender Typ in Markenjeans und Flanellhemd kommt auf mich zu…

„Hey“

„Hi“

„Ziemlich laut hier.“

Ach nee.

„Ich bin Lars.“, der Flanellhemd-Typ reicht mir die Hand.

„Feli, hi.“

„Und was machst du so?“

Wow, der geht aber ran, denke ich mir sarkastisch. „Ich bin Assistant Producer.“

„Produzentin..aaah. Also kannst du gut mit Zahlen?“

„Auch, ja.“. Mit Mühe gelingt es mir, nicht die Augen zu rollen. Ok Feli, reiß dich zam! Vielleicht ist der Typ ja ganz nett.

Lars-Flanellhemd nimmt einen tiefen Schluck aus seinem Bier.

„Ich studier Germanistik. Und Geschichte. Aber ich mach dieses Semester Staatsexamen. Also das ist zumindest der Plan, wenn mir nicht wieder zu viele Parties dazwischen kommen.“, er lacht.

Reiß dich zam, Feli! „Aha. Ja….schön.“, mein Blick fällt auf seine leere Bierflasche. Eilig (bevor das Gespräch den Punkt ultra-fad erreicht) meine ich: „Wollen wir vielleicht noch was trinken?“

Wir gehen zur Bar. Nonchalant zückt Lars sofort seinen Geldbeutel, bevor ich meinen heraushole. Er kramt in seiner Börse herum, in der – oh Mann! – nur noch einzelne Münzen herumfliegen. Auf die Art und Weise wie er hilflos kramt (als würden sich dadurch auf magische Weise noch ungeahnte Geldquellen auftun), wird mir jetzt klar: Lars hatte nicht nur ein Bier. In fact: Lars hat schon ziemlich Einen sitzen!

In dem Moment beugt er sich zu der Barfrau und flüstert halblaut (als könnte ich das nicht hören): „Äh….sorry. Aber was isn das Billigste?“. Die Barfrau wirft erst einen mitleidigen Blick in meine Richtung. Dann erwidert sie trocken: „Leitungswasser!“. Lars dreht sich halb resignierend, halb pragmatisch zu mir um: „Willst du dir was teilen?“

Na merci. Aber um es positiv zu sehen: Der Typ war wenigstens heiß. Das bedeutet also, I still got it. Ich drehe mich um und bedeute Gitta, zu gehen. Die ist verwirrt: „War der nicht nett?? Ich hab ihm gesagt, er soll dich anquatschen, weil du frisch Single bist und dich da bestimmt drüber freust.“ Danke Gitta!

Der sympathische (und vergebene) Kerl, mit dem Gitta sich gerade unterhält, lacht sich schlapp, als ich das eben Geschehene wiederhole. Er zückt grinsend sein Handy: „Ich hab da vielleicht einen ganz heißen Tipp für dich!“ …

 

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