20. Say maybe, Baby …!

Grade noch läuft der Abspann, als Netflix dankenswerterweise ganz automatisch die nächste Folge „Lost“ abspielt. So muss ich nicht aufstehen. Eh viel zu heiß. Nachdenklich blicke ich auf mein Handy. Jetzt habe ich seit fast zehn Tagen nichts mehr von Feli gehört. Scheiß drauf. Wir wollten dieses Wochenende zwar eigentlich einen ersten gemeinsamen Kurztrip Richtung Berge machen, aber so habe ich endlich Zeit, nach fast sieben Jahren endlich die letzte „Lost“-Staffel zu gucken. Höchste Zeit. Einfach gschmeidig den Deckel drauf auf die Sache und gut ist.

Eine Whatsapp-Nachricht reißt mich aus meinen Gedanken. Ob das Feli ist???

Nein, bloß Ali.

„Ey wenn ich dir noch einen Tipp geben darf: Du hast die Angewohnheit, den Kopf in den Sand zu stecken, wenn dir die Dinge zu kompliziert werden. Mach das bei Feli nicht. Ich hab den Eindruck, die bedeutet dir was.“

Boah. Ali. Wie kann jemand, der sein eigenes Leben so wenig auf die Reihe kriegt, immer mit allem recht haben, was meins angeht?

Ich meine – diese ätzende, zickige Szene von vor ein paar Tagen ist mir noch ziemlich lebendig im Gedächtnis! Und was alles so schiefgelaufen ist, seitdem ich Feli kennengelernt habe. Logisch, shit happens, aber wie viel shit kann denn in knapp fünf Monaten zwischen zwei Personen passieren??

Ach, verdammter Scheiß.

Ein Blick auf die Uhr. Hm, 19:20 Uhr. Feli könnte schon zu Hause sein… Ich schnappe mir gerade meine Jacke, als mein Handy erneut piept – und dieses Mal ist es wirklich Feli. Aufgeregt lese ich die Nachricht.

 

NEU

 Kacke ….

Ich bin noch nie so schnell quer durch München gerast. Dass ich da nirgendwo geblitzt wurde, ist einfach nur verdammtes Dusel. Und hoffentlich verlässt mich das jetzt nicht, wo ich vor dieser Wohnungstür stehe und hektisch die Klingel drücke.

„Leo…? Was machst du denn hier?“

Alter. Selbst wenn sie mit grauem Schlabbershirt und Jogginghose die Tür aufmacht, sieht sie umwerfend aus.

„Hey. Sorry, dass ich hier einfach so aufkreuze. Ich weiß, wir waren nicht verabredet und du willst gleich weg, aber ich glaub, wir müssen über was reden, das nicht warten kann. Kann ich reinkommen?“ Die Worte purzeln nur so aus mir raus, als wär das ein Monolog, den ich auf dem Weg zu ihr noch schnell eingeübt habe. Vermutlich liegt das daran, dass das tatsächlich ein Monolog ist, den ich auf dem Weg zu ihr noch schnell eingeübt habe. Was soll ich sagen, ich bin scheiße nervös. Doch bevor ich IRGENDWAS sagen kann, bringt mich Feli zum x-ten Mal, seit wir uns im Februar kennengelernt haben, total aus der Fassung.

„Es tut mir so leid!“, seufzt sie, und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen. Und während sie ihr Gesicht da so vergräbt, höre ich ein leises Schluchzen.

„Feli… weinst du etwa?“ Zuerst war ich einfach nur nervös, jetzt bin ich völlig überfordert.

„JA!“, flennt sie mir entgegen. Sie hebt ihren Kopf und ich sehe ihre roten Augen und ihre schon leicht verwischte Schminke. „Wir waren noch nicht mal richtig zusammen und ich hab schon alles versaut. Du hältst mich jetzt bestimmt für eine crazy Stalker Bitch!“

„Äh… ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber auf dem Gebiet hab ich ein bisschen Erfahrung. Glaub mir, auf der ‚Crazy Stalker Bitch‘ Skala bist du vielleicht eine 5 von 10. BESTENFALLS.“

Felis bösem Blick nach zu urteilen kam dieser Gag gerade nicht so gut an. Hatte ich schon erwähnt, dass ich überfordert bin?

„Nein, hör mir zu. Du hast gar nichts versaut, und du bist auch keine Stalkerin. Ich bin bloß bisschen verwirrt, wie du auf Amy gekommen bist. Ich mein, alles war spitze, sogar als wir mit Susi im Biergarten waren und dann plötzlich…“ In dem Moment kommt mir die Antwort schon selber. Warum war mir das nicht schon vor ein paar Tagen klar? „Oh Mann. Susi hat’s dir gesagt, stimmt’s? Siehst du, so geht eine 10 von 10 auf der Skala.“

„Naja, Susi meinte, da wär so eine Engländerin gewesen namens Amy, die dich ziemlich fertiggemacht hätte, und danach hätte sie dich erst aufgepäppelt. Und dann hat mich der Gedanke an diese mysteriöse Amy nicht mehr losgelassen, und dann wollte ich wissen wie sie aussieht und ob ihr lange zusammen wart und hab sie auf Facebook gesucht. Und du bist dort zwar nicht mehr mit ihr befreundet, aber Ali schon. Da hab ich dann eure Bilder gesehen.“ Feli überschlägt sich fast.

War ja klar, denke ich mir. Nur weil Ali sein Leben mit der ganzen Welt teilen muss, brennen bei mir wieder Krisenherde. Dafür sind wir jetzt quitt mit der Eminem-CD, damit du’s nur weißt.

„Und dann war ich unsicher, weil sie wirklich so hammer-mäßig aussieht und weil ihr auf den ganzen Bildern so glücklich ausgesehen habt. Deswegen wollte ich noch ein bisschen in ihrem Profil stöbern und dann hab ich ihr aus Versehen eine Freundschaftsanfrage geschickt. Aber ich hab sie nicht angeschrieben, ich schwör’s! Als sie mir geschrieben hat, wer ich denn bin, hab ich ihr nicht geantwortet und oh Mann das ist alles so bescheuert bitte hasse mich nicht ….“, uuuuuund Feli hat wieder zu weinen begonnen.

„Spinnst du? Ich hasse dich doch nicht!“, sage ich und streiche diesem unfassbar süßen Mädel eine Träne von der Wange. Tatsächlich empfinde ich etwas Gegenteiliges für sie, wie mir in dem Moment schockiert aufgeht. Und nach der Funkstille von über einer Woche drängt sich auch ein ganz anderer Wunsch in den Vordergrund. Aber DAS sollte ich jetzt erstmal besser nicht anbringen. Easy, bro!

„Eigentlich ist es meine Schuld, ich hätte dir schon viel früher von ihr erzählen sollen. Aber ich…“

Ich hole tief Luft.

„Also ehrlich gesagt ist Amy ein rotes Tuch für mich. Nach wie vor. Deswegen habe ich das letzte Jahr auch versucht, sie komplett aus meiner Erinnerung zu streichen.“

Feli schaut mich an und will schon den Mund aufmachen.

„Ich weiß, ich weiß. Nicht gerade ne gesunde Einstellung. Aber weißt du ab wann es mir wirklich gelungen ist, keinen Gedanken mehr an Amy zu verschwenden? Also – romantische eh nicht, aber auch keine wütenden mehr? Seit dem Valentinstag dieses Jahr.“

Feli macht den Mund wieder zu und gib mir damit die Chance, sie nah an mich ranzuziehen. Gleich auf’s Ganze gehen! Jetzt hab ich ja nix mehr zu verlieren.

„Seitdem ich dich kenne, ist die ganze Sache einfach verpufft. Wenn du magst, erzähle ich dir, was mit Amy gelaufen ist. Aber danach möchte ich nicht mehr über diese alte Ex-Kiste reden. Ich würd’ viel lieber wissen, wie es mit UNS weitergeht. Weil ich dich was fragen möchte … “

Feli reißt schon geschockt die Augen auf und eine Sekunde frag ich mich, ob ich mit meiner Taktik nicht doch ein wenig zu hoch gepokert habe. Aber die Nummer zieh ich jetzt durch, egal, wie lächerlich ich mich mache! Ich gehe auf die Knie, blicke ihr gespielt dramatisch in die Augen und frage grinsend: „Feli, willst du meine Freundin sein?“

Und jetzt endlich – ENDLICH – zeigt Feli wieder ihr Lächeln. Mehr noch. Sie strahlt sogar von einem Ohr zum anderen.

„Depp. Du bist ja end romantisch!“

Damit drückt sie mir einen Kuss auf die Lippen. „Und ehrlich gesagt interessiert es mich auch gar nicht so, was da mit Amy genau war.“

Ich blicke sie kritisch an.

„Ja, ok. Ein kleines bisschen. Aber da können wir ja ein ander Mal drüber reden.“

„Das war das Schlaueste, was du die letzten Tage gesagt hast!“ Kaum habe ich das ausgesprochen, beiße ich mir schon selbst auf die Lippen. Scheiße! Du Idiot. Was war denn das für ein scheiß Chauvi-Spruch.

Doch Feli lächelt mich nur weiter so an, dass mir nun nebst Blut auch das Herz in die Hose rutscht. Dann streicht sie sich unsicher durch die Haare.

„Denkst du … naja … also sollten wir es wirklich ernsthaft versuchen? Exklusiv, als Paar? Ich meine, es ist ja schon so ziemlich alles schief gegangen die letzten Monate.“

„Pffff. Und es wird noch Einiges mehr schiefgehen. Das schwör ich dir. Aber ich hab Lust drauf. Ich hab Lust auf uns, auf eine gemeinsame, chaotische Zeit – und ich hab Lust auf dich!“

Damit ziehe ich sie fester an mich, streiche ihr die zestrubelten Haare aus dem Gesicht, um es dann in meine Hände zu nehmen und diese Wahnsinns-Frau endlich richtig küssen zu können. Feli lässt sich mit einem Seufzer in meine Arme fallen, bevor sie wieder ein Stück von mir abrückt.

„Ja aber … der Countdown für unser 150-Tage-Projekt ist offiziell erst morgen vorbei…“

Boah.

„Scheiß auf den Countdown …“, kann ich nur mühsam zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorpressen.

Feli grinst und zieht mich – Checkpot! – in Richtung Bett.

„Ja, war eh ne doofe Idee. Wer kommt denn auf sowas …“  😉

 

– THE QUASI VORLÄUFIGES HAPPY END –

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